Ein paar Gedanken



Juni 2020


 

Wie mindestens dreimal im Jahr schrottete ich jüngst mein Handy, es fiel ins Klo. Die durchschnittliche Lebensdauer meiner Telekommunikationsgeräte beträgt 6 Monate. Entweder fallen sie ins Wasser, wahlweise Klo, Pool oder in meine zugegeben übertrieben große Cappuccinotasse. Oder aber wie vor zwei Jahren, werfe ich damit zwischen zwei Hunde, die im Beginn sind, sich an die Jacken zu wollen. Bis heute hält mein Freund mich für bekloppt, wie man mit einem I Phone werfen kann und das so dämlich doch keiner ist. Aber wie ich erfuhr, bin ich kein Einzelfall, einer Kollegin passierte vor einiger Zeit dasselbe. Um Handys und deren Halbwertszeit soll es aber heute nicht gehen.

Als ich aber versuchte meine Bilder vom gestorbenen Handy zu retten, stieß ich auf das unten angehängte Bild. Es zeigt zwei meiner Dobermänner, einer davon trägt einen Rucksack Vorgeschichte mit sich herum und hat leider auch schon Menschen verletzt.

Es sind Momente wie diese, die ich so an meiner Arbeit liebe. Es sieht zugegebenermaßen nicht nach Training aus, vielleicht kann man es auch nicht so bezeichnen, dennoch macht es soviel aus für diesen Hund.

Ruhe, los lassen, annehmen können. Freiwilligen!! Körperkontakt anbieten und zulassen, runter kommen. Die Nähe genießen, kein künstliches Aushalten fürs Foto oder weil ich das jetzt so möchte. 

Gerade für Dobermänner so wichtig. Meist kommen sie an, abhängig von Bällen, ruhelos, kreiselnd, hysterisch. Ihnen fliegen die Sicherungen durch, sie kippen ins Beutefangverhalten und machen ihre Umwelt und sich selber wahnsinnig. 

Warum ist das so? Nun sie wurden oft so gemacht. Vielleicht nicht absichtlich sondern im guten Glauben, vielleicht weil man dachte, dass muss so.

Sie brauchen aber keine Ball-lastigen Abenteuer Spaziergänge oder ein Potpourri aus Hundesportarten. Sie müssen auch nicht tausend Tricks lernen oder wie ein Soldat über den Hundeplatz marschieren. Damit will ich nicht sagen, dass Dobermänner keine Bewegung oder Beschäftigung benötigen. 

Auch ist das kein allgemeines Schlecht reden von Trick dogging oder vernüftigen Hundesportarten. 

Aber doch bitte erst, wenn die Basis stimmt. Denn der gut gemeinte Spaziergang bringt dem Hund nichts, wenn er kreischend in die Leine hechtet, sich im Sekundentakt um die eigene Achse dreht und nur darauf wartet, um im Rausch seinem Balli nachzufliegen. Denn das ist einer der Gründe, warum soviele ernsthaft gestörte Dobis hier landen. 

Sie brauchen etwas Anderes. 

Sie brauchen in den meisten Fälle Ruhe. Natürlich ist Ruhe nicht die alleinige Lösung, aber auf ihr baut soviel auf. Ohne mit sich im Reinen zu sein ist es so schwer, all die anderen Dinge zu lernen. Es ist so schwer zuzuhören, wenn man mit sich selber so beschäftigt ist.

Viele unserer Ankömmlinge sind so „durch“, sie können so oft nicht mal mehr ihren eigenen Körper wahrnehmen, sich spüren, wissen, wo sie anfangen und aufhören. In sich verloren kreiselnd, gefangen in Ansprüchen, die man an sie stellte und Bedürfnissen, die nicht erkannt wurden. 

Körperlich verspannte Wracks, durch exzessiv ausgeführte ungesunde Bewegungsmuster. Manche wurden kaputt geliebt, abgebusselt, umarmt, sind Kindersatz, mussten für dämliche Facebook Selfies mit albernen Shirts oder Mützen her halten. 

Gestandene Hunde, Persönlichkeiten, an denen soviel falsche Erwartung hing und so wenig Verständnis für Ihre Bedürfnisse. Gewalt, übergriffiges Verhalten umfasst nicht „nur“ schlagen und treten oder Ähnliches, sondern auch ständige lieb gemeinte Umarmungen (die wenigsten Hunde mögen Umarmungen, aber als Affen tun wir das leider sehr gerne), ständiges Anfassen, Hochheben, zurecht drücken, zuschauen, wenn Kinder übergriffig sind („der lässt alles mit sich machen“)... 

Es ist erstaunlich, wie nett Hunde sind und wieviel sie ertragen.

Aber nicht alle halten es auf Dauer aus. Wenn über Jahre „neins“ übergangen, Unwohlsein nicht erkannt und generell Sovieles nicht stimmt in der „Beziehung“, dann passieren manchmal schlimme Dinge. 

Dinge, die angeblich ohne Vorwarnung passierten, die plötzlich und erbarmungslos Lebewesen (schwer) verletzen und Leben auslöschen. 

Die traurige Historie wird übersehen oder man will sie einfach nicht wahr haben. Weil viele Menschen ihre Hunde nicht mehr lesen können oder wollen, sich einerseits Spezialisten auf bestimmten Gebieten holen, aber dann enttäuscht sind, wenn sie das tun, wozu sie ursprünglich gemacht wurden. Wenn sie angeschafft wurden, um Lücken zu füllen, um Aufgaben zu erledigen, denen sie als Hund garnicht gewachsen sind. 

Sie müssen immer nur, dürfen aber oft nichteinmal das tun, was sie nach ihrer Bestimmung nunmal sind- Hunde. Und Hunde jagen, knurren, beissen, tun viele Dinge, die uns nicht gefallen und die natürlich auch in Bahnen gelenkt werden müssen.

Wenn ich das aber nicht will oder kann, dann sollte ich mir keinen anschaffen. Oder zumindest mal schauen, was für einer es wird. 

Die meisten suchen ihre Begleiter immer noch nach der Optik aus. Die wenigsten kommen, um sich VOR dem Kauf beraten zu lassen und wenn doch, schmeckt ihnen die Wahrheit nicht und am Ende kauft man trotzig doch den Hütehund/HSH/ was immer ihr hier eintragen wollt. 

Wir drücken Hunden so oft unser Bedürfnisse auf anstatt zu schauen, was sie wirklich brauchen und wie wir entsprechend mit ihnen umgehen sollten. Wir wollen oft soviel und sind so wenig bereit, etwas dafür zu geben.

Vielleicht sollten wir viel mehr schauen, WEN wir uns da ins Haus holen, WAS dieses Lebewesen möchte und benötigt und abwägen, ob wir das können und wollen. Und was passiert, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden. 

Wir können uns den Hund aussuchen, er ist unserem Können oder Versagen ausgeliefert. Er kann leider nicht sagen, dass er die „Beziehung“ verlassen möchte. Und wenn er das tut, endet das oft sehr unschön. 

Maria Weirauch